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"Die Müllabfuhr im Internet"

Content-Moderatoren löschen brutale Bilder im Netz

Bild: imago / Montage: BAYERN 3

Täglich werden Millionen Bilder in die sozialen Netzwerke geladen, die wir nie zu Gesicht bekommen. Bilder von Gewalt und Pornographie, aber auch solche, die Facebook & Co schlicht als "unangemessen" einstufen. Gesichtet und aussortiert werden die Fotos und Videos von Billiglöhnern auf den Philippinen.

Der Theaterregisseur Moritz Riesewieck hat vier Wochen in Manila, der Hauptstadt der Philippinen, recherchiert und mit mehreren sogenannten "Content-Moderatoren" gesprochen. Die Ergebnisse hat er heute auf der re:publica vorgestellt.

1. "Content-Moderatoren" schauen den ganzen Tag Gewalt-Videos

Sie sollen anstößige Videos und Bilder aus den sozialen Medien filtern. Das meiste passiert natürlich vollautomatisch durch Filter. Aber bei vielen Bildern müssen eben doch Menschen entscheiden, ob diese veröffentlicht werden dürfen. Und das ist ein richtig krasser Job:

Acht Stunden täglich sichten die 'Content Moderatoren' tausende Videos und Fotos von Sodomie, Pornographie, Vergewaltigungen oder Verstümmelungen, die weltweit hochgeladen werden - und sortieren sie aus. Diese Menschen sind die 'Müllabfuhr im Internet'."  (Moritz Riesewieck)

Welche Regeln die jungen Philippiner genau umsetzen, wann sie ihren Daumen über die Fotos und Videos heben oder senken, das versuchen die amerikanischen Auftraggeber so undurchsichtig wie möglich zu halten. 

2. Es gibt 150.000 Menschen, die diesen Job auf den Philippinen machen

Riesewieck hat recherchiert, dass mittlerweile ungefähr 150.000 Menschen auf den Philippinen in dieser neuen Branche arbeiten sollen. Die Mitarbeiter, mit denen er gesprochen hat, verdienen zwischen zwei und sechs Dollar pro Stunde. Ein vergleichsweise ordentlicher Lohn - aber ohne psychologische Betreuung. Und das bei einem Job, in dem es darum geht, im Sekundentakt Schockbilder anzuschauen und durchzuklicken.

Alle Arbeiter berichten davon, wie sehr diese Arbeit nachhallt. Die Bilder des Tages lassen sie nicht los. Sie berichten von Depressionen, Apathie, Lustlosigkeit und der Schwierigkeit, mit diesen Bildern umzugehen. Viele ihrer Kollegen haben den Job nach wenigen Monaten wieder aufgegeben. Und es gibt ein Motiv, das offenbar viele eint: Die Frustration darüber, dass all das Löschen nichts nützt, dass es niemals endet, dass jeden Tag von Neuem alles wieder von Neuem schmutzig ist." (Moritz Riesewieck in einem Vortrag der Heinrich-Böll-Stiftung)
Foto: privat

Moritz Riesewieck auf seiner Facebook-Seite

3. Sie arbeiten für wenig Geld - und nach westlichen Grundsätzen

Die großen amerikanischen Internet-Konzerne wollen natürlich als "sauber" gelten. Das Aussortieren anstößiger Bilder und Videos in den USA wäre aber nicht nur deutlich teurer, sondern es gäbe bei der Arbeit sicherlich auch Probleme und Auseinandersetzungen mit Gewerkschaften. Wenn Konzerne wie Tinder und Facebook diese Arbeit gerade auf die Philipinnen outsourcen, hat das zwei Gründe. Nicht nur, dass die Arbeitskräfte dort deutlich weniger verdienen und Gewerkschaften praktisch nicht existent sind. Sondern auch, dass der "gesellschaftliche Kodex" perfekt zum westlichen Verständnis passt: 90 Prozent der philippinischen Bevölkerung sind katholische Christen.

Das sind die radikalsten Christen der Erde, und ein Grundmotiv ihrer Religion lautet: Wir nehmen das Kreuz der Welt auf unsere Schultern. Genau so verstehen auch diese Menschen ihre Arbeit. Sie sagen: Irgendjemand muss das ja machen, also tun wir es. (...) Die haben eine Mission. Die wollen das Böse aus der Welt schaffen. Sie sind diejenigen, die letztlich die Errungenschaften des Internets für uns bewahren. Es stünde uns (...) gut an, uns damit auseinanderzusetzen. Dass wir bestimmte Bilder nicht sehen, hat ganz konkrete Hintergründe. Wenn wir schon die Bilder nicht sehen, sollten wir uns wenigstens die Hintergründe anschauen." (Moritz Riesewieck in einem taz-Interview)


Mehr Infos bei netzpolitik.org, re-publica, mobilegeeks und der taz.

Einen YouTube-Vortrag von Moritz Riesewieck findet ihr auf dem Kanal der Heinrich-Böll-Stiftung